/ 25. April 2025

Tippelschritte statt großer Wurf

Der Koalitionsvertrag und die Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienbranche

Wohnen soll für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich sein. Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung sind für uns gleichwertig.
Der zwischen CDU/CSU und SPD ausgehandelte und am 9. April 2025 von den Parteivorsit-zenden vorgestellte Koalitionsvertrag hält auf drei Seiten Ideen und Maßnahmen bereit, wie „der Wohnungsbau und die Eigentumsbildung durch eine Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive angekurbelt“ werden soll. Das noch nicht unterschriebene Papier enthält überwiegend vage – teils auch widersprüchliche – Aussagen, gibt aber für viele Themen eine Richtung vor. Hier ein Kurz-Check.

Mietpolitik & Mieterschutz

Beide Parteien der zukünftigen Regierungskoalition hatten sich bereits für die Verlängerung der Mietpreisbremse ausgesprochen, nun soll sie bis 2029 kommen. Das bedeutet, dass in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt Vermieter bei ei-ner Wiedervermietung maximal 10 % mehr als die ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen dürfen. Die traditionell besonders mieterfreundliche SPD dürfte indes den Passus verantwor-tet haben, demzufolge nun auch Indexmieten (die Miete steigt mit der Inflationsrate), möblierte und Kurzzeitvermietung reguliert werden.

Eine Reform der Modernisierungsumlage soll Kleinmodernisierungen bis 20.000 Euro er-leichtern. An den Umlagesätzen von maximal 8 % ändert sich wohl nichts. Trotzdem könnte die Regelung für Bestandsinvestoren ein positiver Impuls sein: Wer unter 20.000 Euro pro Einheit investiert, wird voraussichtlich schneller, unbürokratischer und unkomplizierter mo-dernisieren – und dennoch Mieterträge erhöhen können.

Weniger Normen, mehr Freiheit

Mit Blick auf die hohen Baukosten sendet der Koalitionsvertrag ein Signal der Hoff-nung: Einfacher bauen soll wieder möglich sein. Der Gebäudetyp E wird gesetzlich verankert – damit gelten Abweichungen von DIN-Normen nicht mehr automatisch als Mangel. Wer funk-tional, sicher und wirtschaftlich plant, bekommt Spielraum – auch ohne überzogene Auflagen. Eine unabhängige Prüfstelle soll künftig helfen, Kostenfolgen neuer Normen zu bewerten, be-vor sie die Praxis ausbremsen. Gleichzeitig wird das serielle, modulare und systemische Bauen ausdrücklich gefördert. Das betrifft nicht nur Großprojekte – sondern eröffnet auch für private und institutionelle Investoren neue Möglichkeiten, effizienter, schneller und günstiger zu bauen.
Auch beim Klimaschutz zeichnet sich ein neuer Realismus ab: Die geplante Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) verschiebt den Fokus – weg von starren Effizienzklassen, hin zur konkreten CO2-Vermeidung. Nicht mehr die Einhaltung einer bestimmten Dämmstär-ke oder Klasse entscheidet – sondern der tatsächliche Beitrag zur Emissionsreduktion. Für viele ältere Gebäude, bei denen umfassende Sanierungen wirtschaftlich kaum darstellbar sind, ergeben sich hier neue Möglichkeiten. Allerdings wird es für alle, die weiter auf Gas & Heizöl setzen, „zunächst einmal teurer“, so der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz. In den meisten Ländern streben Regierungschefs danach, Kosten für Bürger und Wirtschaft zu senken. Nicht so die künftige Koalition. Die CO2-Steuer, die weiterhin massiv steigt, bleibt ein entscheidendes Instrument, um Bürger zu belasten und zu bevormunden – egal ob Eigentü-mer, Mieter oder Vermieter.

Wohnungsbau & Eigentumsförderung

Oft angekündigt, bisher nicht umgesetzt: der „Wohnungsbau-Turbo“. Dieses Mal aber soll wirklich entbürokratisiert werden. Mit dem Progamm will die Koalition in den ersten 100 Tagen ein Gesetzespaket für schnellere Genehmigungen vorlegen. Bürokratische Hürden im Bau-, Planungs- und Umweltrecht sollen abgebaut, das Baugesetzbuch modernisiert werden. Für Bestandshalter mag das weniger relevant sein – doch wer künftig bauen, aufstocken oder teilen will, könnte profitieren. Hoffen wir, dass der Turbo dieses Mal zündet und der Baumotor nicht noch mehr ins Stottern gerät.

Bizarr: Im selben „Wohnungsturbo-Satz“, nur durch ein Semikolon getrennt, geht es überraschenderweise um Bürokratisierung. So wird der Umwandlungsschutz um fünf Jahre verlängert. Die Transformation von Miet- in Eigentumswohnungen wird damit in bestimmten Gebieten – in allen sieben A-Städten, in Berlin flächendeckend – deutlich erschwert. Der Kauf und die Modernisierung noch nicht aufgeteilter Mietshäuser und/ oder der spätere Verkauf der einzelnen, neu gebildeten Eigentumswohnungen werden dort also nahezu unmöglich gemacht. Dem Markt werden weiterhin Fesseln angelegt – ebenso der Eigentumsbildung, die im gleichen Abschnitt beschworen wird.

Ein weiterer Haken in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen: „In einem zweiten Schritt werden wir eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens vornehmen. Um eine nachteilige Ausstrahlungswirkung auf die Umgebung zu vermeiden, wird das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien entsprechend gestärkt.“ Es ist Hüh und Hott in einem Atemzug: Bauen attraktiver machen, aber den Verkauf – ein wesentlicher Bestandteil von Kalkulationen und Exit-Lösungen – erschweren.

Die Idee der Wohneigentumsförderung ist löblich – und angesichts der niedrigsten Eigentumsquote in der EU dringend nötig. Allerdings schweben den Koalitionären in spe auch hier eher bürokratische Maßnahmen vor, wie staatliche Bürgschaften oder Förderung. Dabei könnte es so simpel sein: Runter mit den Kaufnebenkosten, die je nach Bundesland 12 % ausmachen, darunter die Grunderwerbsteuer mit bis zu 6,5 %. Doch davon ist nichts zu lesen.

Fazit: Ein einziges „Sowohl als auch“

Wie in deutschen Koalitionsverträgen üblich hat jede Partei ihre – durchaus widersprüchlichen – Inhalte untergebracht. Mieterfreundliche Regelungen hier, ein paar Abschreibungsmöglich-keiten da, etwas Förderung dort. Zudem scheint es, als ob im Ergebnis der zähen, wochen-langen Verhandlungen etliche Textbausteine, die auf dem Tisch geblieben sind, einfach hin-tereinander montiert worden sind – ohne zu schauen, ob sie in der jeweiligen Anordnung überhaupt Sinn ergeben und zusammenpassen. Herausgekommen ist kein großer Wurf, sondern das bekannte Kleinklein aus Tippelschritten – und dies auch noch in verschiedene Richtungen. Der Motor am Bau wird dadurch nicht nennenswert angeworfen, wirtschaftliches Vermieten wird nicht attraktiver – aber auch nicht ungemütlicher. Alles in allem kein Impuls, den man sich von einem Regierungsprogramm erwartet.

Vage Hoffnung:
Bundesbauministerin Verena Hubertz


Zur Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wurde am 7. Mai 2025 Verena Hubertz (SPD) ernannt. Als stellvertretende SPD-Fraktionschefin mit Zuständigkeit für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat sich die 37-Jährige überwiegend zum Thema Mietrecht profiliert. Sie trat für eine niedrigere Kappungsgrenze bei laufenden Mietverträgen ein, für eine strengere Regulierung von Indexmieten sowie Eigenbedarfskündigungen. Die beiden letzten Punkte haben es in den Koalitionsvertrag geschafft, die niedrigere Kappungsgrenze wurde aus dem Entwurf gestrichen.

Allerdings dürfte das Mietrecht künftig vom ebenfalls SPD-geführten Justizministerium bearbeitet werden. Stattdessen muss sich Hubertz um die handfesten Probleme der Immobilienwirtschaft kümmern, damit Bauen und Vermieten wieder attraktiver und vor allem günstiger wird. Hierzu gehören der Abbau von Vorschriften, Maßnahmen zur Preisdämpfung, besonders auch aufgrund stattlicher Vorgaben, Steuern und Gebühren, Abschreibungsanreize, Förderprogramme und sozialer

Wohnungsbau. Jedoch: In den Koalitionsgesprächen war Hubertz nicht einmal Mitglied in der Arbeitsgruppe Bauen und Wohnen, sondern saß in jener für Wirtschaft, Industrie, Tourismus. Hoffen wir, dass sie sich rasch in die zentralen Aspekte der Bauwirtschaft einarbeitet, die richtigen Entscheidungen trifft und Druck macht, damit sich die Kräne wieder drehen.

Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten. Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung, in der Stadt und im ländlichen Raum sind für uns gleichwertig.